Historische Holzbrücken der Schweiz bis 1850

76 Buholzer 77 Historische Holzbrücken der Schweiz bis 1850 D AR Fünffeldrige Stab- polygone, Versteifung durch Gegenstreben mit aufgenagelter Verschalung, Streck- balken gestossen, ohne Firstpfette, oberer und unterer Verband Inschriften: «Richtet Euwer Handel und Wandel zu Oott, so wird er euwer Gleitsmann sein früh und spoth.» «Aus der Tiefe ruf ich zu Dir o Herr.» «Alle Menschen, die gehen auf das tiefe Thall, die denken fleissig an Gott, so tun sie keinen fahl.» «Die vor der stehete im Jahre 1722 wohlerbaute Brugg ist da weggeschwemmt durch unerdenkliche grosse Wasserfluth.» «Zu wissen ist, daß die Brugg 23 Schuh länger ist, den die vor der stehet.» Herisau Hundwil URNÄSCHBRÜCKE alte Tobelbrücke ie Urnäsch und die Sitter sind Grenzflüsse. Die Urnäsch trennt die Appenzeller Ausserrhoden- Gemeinden Herisau, Hundwil und Stein, die Sitter die beiden Kantone St. Gallen und Appenzell-Ausser- rhoden sowie die Gemeinden Herisau, Teu- fen, Stein und die Stadt St. Gallen. In diesem Gebiet befinden sich fünf historische Holzbrü- cken. Die älteste stammt aus dem Jahr 1655, die jüngste wurde 1800 erbaut. Es sind soge- nannte Tobelbrücken, d.h. sie liegen alle tief in eiszeitlich eingetieften Schluchten. Die Auf- und Abstiege zu den Brücken sind teilweise sehr steil und für den Fuhrverkehr ungeeignet. Nur Fussgänger und Packtiere konnten relativ sicher die Übergänge erreichen und passie- ren. 1778 hatte «eine unerdenkliche Wasser- flut» sechs Brücken über die Urnäsch wegge- schwemmt. Noch im gleichen Jahr errichtete Hans Ulrich Grubenmann eine neue Brücke mit 29 Metern Spannweite. Fuhrverkehr war wegen der Steilheit nicht möglich, die Brücke musste daher nur kleinere Lasten tragen. Sie ist auch mit zwei Metern die schmalste der fünf Tobelbrücken. Bis zur Abschaffung der Lands- gemeinde gelangten jahrhundertelang die Herisauer Männer über diese Brücke in den Landgemeindeort Hundwil. Die Brücke ist eine von zwei Brücken von Hans Ulrich Gru- benmann, die heute noch erhalten sind. Sie ist ein schön gestaltetes Alterswerk, das aber für sein gesamtes Schaffen nicht repräsen- tativ ist. Grubenmann war damals 69 Jahre alt, vier Jahre später starb er. Ob er in seinem hohen Alter noch in den tiefen Hundwiler- Tobel hinunterstieg, darf bezweifelt werden. Es ist anzunehmen, dass er die Umsetzung seiner Pläne, jüngeren Leuten überliess. 2014 wurde die Brücke vollständig saniert, wie spä- ter ihre wenige Kilometer flussabwärts gele- gende jüngere Schwester im Kubel (S. 78). Die Polygone sind durch paarweise Hängepfosten, die durch Schwalben- schwanzzapfen mit Keilverschluss mit den Streckbalken verbunden. Standort Hundwilertobel Gemeinden Herisau und Hundwil Koordinaten 742 050 / 248 600 H. ü. M. 665 Gewässer Urnäsch Besitzer Gem. Herisau und Hundwil Baujahr 1778 Bauherr Hans Ulrich Grubenmann Sanierung 2014 Spannweite 30 m L/B/H 32 m / 2,36 m / 3 m Bedeckung Lärchenschindeln Belastung Fussgänger Im Rahmen der Sanierung wurden unter anderem die Steinfundamente instand gesetzt und die verfaulten Teile des Schindeldaches ersetzt. Als «sprechende Brücke» gibt es auch hier informative und erbauliche Inschrif- ten, wenn auch nicht ganz fehlerfrei, z.B. Grubermann statt Grubenmann P P P Schön ausgebildet sind die Flugdreiecke am Fusse der Sparren. P P «Die Brug war gebauen im Jahr anno 1778.» «Zu dieser Brug ist verordnet Herr Hauptmann Knr. Müller von Hundwil.» «Werkmeister Hs. Ulrich Grubermann von Teufen.» «Wegmeister Ulrich Früh von Stein.» «Alle die da gehen aus und ein, die sollen Gott befohlen sein.» Ein typisches Gruben- mann-Merkmal: die profilierten Stich- balken als Auflager. PP «Herr Hauptmann Knr. Müller» taucht sowohl auf den Balken der Grubenmann- brücke im Kubel (S. 78) als auch in der Schwänberg- brücke (S. 82) auf, dort schon als Landesbauherr. PP Quellen: Stadelmann, ICOMOS, KDM, IVS, Wikipedia, HLS, Steinmann, Killer, St. Galler Nachrich- ten 3.7.14

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=